Der Untergang der „Rosa Vlassi“ hat damals viele im Großraum um Athen erschüttert. Zum einen ist das Schiffsunglück, welches dreizehn Seeleuten das Leben gekostet hat, quasi vor der Haustür ereignet. Zum anderen ist diese Tragödie ausgerechnet an einem Heiligabend passiert.
Der Kohlefrachter gehörte zu einer Serie von vier Schiffen, die gegen das Ende des 2. Weltkriegs im Auftrag der britischen „Ministry of War Transport“ auf der Werft „John Crown & Sons Ltd.“ In Sunderland gebaut werden sollten. Die 83 m langen und 12,5 m breiten „Collier“ (englische Bezeichnung für diesen Schiffstyp) hatten eine Frachtkapazität von fast 2900 Tonnen und wurde von einer 750 PS starken Dreizylinder-Dampfmaschine angetrieben, die ihnen eine Höchstgeschwindigkeit von 9,5 Knoten bescherte. Allerdings wurde die Serie bis Kriegsende nicht fertig. So begann der auf den Namen „Empire Lowlander“ getaufte Frachter seine Karriere im Jahr 1946 gleich in der zivilen Handelsschifffahrt unter dem Namen „Corflow“, den er bis 1959 behielt. In diesem Jahr wurde er von der griechischen Reederei der Gebrüder Vlassis gekauft und in „Rosa Vlassi“ umbenannt.
Ihre letzte Reise von Stratoni nach Piräus im Jahr 1959 trat „Rosa Vlassi“ vollbeladen mit Ferrosilicium - einem Rohstoff für die Stahlherstellung, welches dafür bekannt ist, dass es in Laderäumen leicht verrutschen kann. Beim Rausfahren aus einer Meeresenge zwischen Attika und der Insel Makronisos wurde das Schiff auf dem offenen Meer vom starken Seegang und Wind erfasst. Etwa eine Seemeile vor dem Kap Sounion hat sie plötzlich eine Schlagseite von ca. 45 Grad bekommen. Bis zum Schluss hat der Kapitän es versucht, das Schiff langsam in Richtung des Hafens von Lavrio zu drehen, während die Besatzung ihre Rettungswesten anlegte. Kurze Zeit später kenterte „Rosa Vlassi“ und ging unter. Nur fünf Männer aus der 19-köpfigen Besatzung konnten sich letztendlich in einem Rettungsboot in Sicherheit bringen. Ein weiterer wurde von einem Fischerboot lebendig geborgen.
Heute liegt das Wrack auf der Backbordseite auf einem hellen sandigen Grund in einer Maximaltiefe von 62 Metern. An einem sehr guten Erhaltungszustand sieht man ihm an, dass sich hier nur wenige Taucher verirren. Lediglich die Fischerei hat über viele Jahre dem Wrack einiges zugesetzt, worauf zahlreiche Geisternetze im Hinterschiff hindeuten. Bei einer gigantischen Sicht und gelegentlichen Bodenströmungen ist das Tauchen an der „Rosa Vlassi“ ein relativ einfaches Unterfangen.
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